Bericht aus Madagaskar – Teil II

Wie in diesem Beitrag beschrieben, reiste Brenda de Beus im Rahmen von voyage-partage anfangs 2019 nach Madagaskar. Nach rund zwei Wochen in der Hauptstadt Antananarivo fuhr sie weiter in den Südwesten nach Tuléar oder Toliara. Inzwischen ist sie wieder Richtung Norden gefahren und arbeitet in der Gegend von Ambalavao, genauer gesagt in Anjomà (ausgesprochen „Andsuma“), einem kleinen Dorf zwischen Fianarantsoa und Ambalavao, dem ehemaligen Wirkungsort von P. Roman. In einem „Fern-Interview“ blickt Brenda zurück auf ihre Zeit in Tuléar, beschreibt ihren Alltag und ihre Eindrücke.

Was waren deine ersten Eindrücke von Madagaskar?
Ich mag mich noch gut an meine Ankunft im Februar erinnern. Es war bereits dunkel und ich konnte daher die Umgebung noch nicht genau erkennen. Die vielen Strassenhunden fielen mir jedoch sofort auf.
In den weiteren Tagen in Antananarivo wurde ich überhäuft von Eindrücken. Die Strassen waren überfüllt von Menschen, welche ihre Einkäufe an Marktständen erledigten und Autos fuhren hupend durch die Gegend. Die meisten Autos sind so alt, dass wir schon lange nicht mehr damit gefahren wären. Die Madagassen bringen es jedoch fertig, den Wagen doch noch zum fahren zu bringen. Was mir ebenfalls zu Beginn ins Auge stach, war der Müll am Strassenrand.

Welche Aufgaben hattest du während deiner Zeit im Behindertenheim in Tuléar, das von miray mit Spendengeldern unterstützt wird?
In diesen ersten drei Monaten in Tuléar im Süden Madagaskars arbeitete ich an einer Sonderschule für beeinträchtigten Kindern. Das Center besteht aus zwei Klassen, welche nach Alter unterteilt sind, und aus einem Rehabilitationscenter. Die Schüler haben ihre individuellen Stärken. Mit den meisten lässt sich nicht mit Worten kommunizieren. Ich hatte keine Vorgaben, was meine Arbeit betrifft. So beschäftigte ich mich zu Beginn vorwiegend mit den schwächeren Schülern. Wir malten, bastelten oder schauten uns Bilderbücher an. Mit der Zeit bezog ich auch die restlichen Kindern mit ein.

Wie sah in Tuléar ein normaler Arbeitsalltag aus?
8.00 – 10.00 Uhr  Unterricht
10.00-10.30 Uhr Pause
10.30 – 11.30 Uhr Unterricht
11.30 – 11.45 Uhr Essen schöpfen für die Kinder
14.30-16.30 Uhr Unterricht
16.30- 17.30 Uhr Kinder mit dem Schulbus nach Hause begleiten

Mit den Spendengeldern von miray werden im Behindertenheim vor allem Lebensmittel gekauft. Welche sind das vor allem?
Das kann ich nur schwer beantworten. Was ich aber bestätigen kann, ist, dass die Schüler jeden Mittag eine grosse Portion Reis mit Bohnen und gehacktem Fleisch, Reis mit „Jus“ und Fleisch oder Sosoa aminy traka (nasser Reis mit „Blättern“), erhalten. Sosoa aminy traka kann man grob mit einem Spinatrisotto vergleichen. Also nichts auzusetzen. Am Donnerstag gibt es zusätzlich noch eine Banane zum Dessert.
Mir wurde gesagt, dass die Kinder nach den Sommerferien oft sehr mager wieder zurückkommen. Dünner als sie ohnehin schon sind. Am Morgen werden die Schüler mit einem Bus abgeholt und am Abend wieder sicher nach Hause gefahren, was ebenfalls hohe Kosten verursacht. Die Schwestern sorgen sich gut um das Wohl der Kinder, auch wenn das Geld gut eingeteilt werden muss.

Wie erlebst du die Ernährung und die Gerichte in Madagaskar allgemein?
In Tuléar ass ich am Morgen meistens Baguette mit Käseaufstrich, Konfitüre oder selbstgemachter Erdnussbutter. Die Schwestern assen aber gewöhnlich bereits am Morgen Reis. In Anjomà esse ich meistens eine Avocado zum Frühstück oder sonst eine Frucht. Aber auch hier beginnt der Tag für die meisten Schwestern mit Reis.

Am Mittag und Abend gibt es immer Reis. Daneben wird Gemüse, Fleisch, Fisch, Kartoffeln, Teigwaren, Omeletten oder Bohnen serviert, sehr abwechslungsreich. Eine Alternative zum Reis ist Maniok, eine Wurzel, schmeckt ebenfalls super. Zu Trinken findet man alles. Typisch für hier ist jedoch das Reiswasser. 

Gewürzt wird hier nicht speziell. Die Madagassen überlassen das Salzen oft jedem selber. Typisch ist es, Blätter zu essen. Das heisst zum Beispiel Kartoffel- oder Maniokblätter. Dies nennt man Traka oder Bred. Ich liebe es. Wenig Salz und Zwiebeln zufügen und schon hat man eine super Beilage zum Reis.

Zum Dessert gibt es bei uns meistens eine Frucht, in Tuléar gelegentlich Joghurt. Bananen gibt es das ganze Jahr über. Im Februar war Mangozeit, dann gab es reichlich Äpfel und Annanas und jetzt Orangen, Mandarinen und Avocados. Ansonsten auch einige exotische Früchte, welche wir in der Schweiz nicht kennen. 

Das Essen eines durchschnittlichen Einwohners kann ich nicht recht beurteilen, es ist aber sicherlich nicht so vielfältig wie bei uns. Ansonsten gibt es hier viele leckere frittierte Köstlichkeiten, welche zum Beispiel mit Reispulver oder Mehl hergestellt wurden, aber auch indische Samosas sind weit verbreitet. In der Küche merkt man gut, dass ein wesentlicher Teil der Bevölkerung  von Einwandern aus Südostasien abstammen. Natürlich hinterliessen auch die Franzosen ihre Spuren, da sie 1883 die Herrschaft über die Insel etablierten, welche dann zu einer französischen Kolonie wurde. Die Unabhängigkeit gewann Madagaskar erst wieder 1960. 

Wo bist du aktuell und wie sieht dein Tagesablauf aktuell aus?
Im Moment befinde ich mich im Hochland in Anjomà. Dies ist nicht weit von Fianarantsoa entfernt. Anjomà ist ein kleines ländliches Dorf, das Gegenteil von Tuléar. Hier lebe ich bei den Schwestern der heiligen Familie und gebe in einigen Klassen Englischunterricht. Manchmal helfe ich auch bei anderen Unterrichtsstunden mit. Ansonsten habe ich keine fixen Arbeiten, ausser dass ich mir angewöhnt habe, vor dem Mittagessen in der Kantine zu helfen. Während den restlichen Stunden helfe ich, wo man mich gerade braucht. So habe ich einen sehr abwechslungsreichen Alltag:
06.40 Uhr: Frühstück
07.30 – 12.00 Uhr: Individuelle Arbeit
12.00 – 13.00 Uhr: Mittagessen
13.00 – 18.00 Uhr: Individuelle Arbeit
18.00 – 19.00 Uhr: Abendgebet
19.00 – ? : Abendessen

Welche Eindrücke hast du von der madagassischen Kultur und von den Wohnverhältnissen im Besonderen?
Madagaskar ist eine sehr vielfältige Insel. Ich hatte bereits die Möglichkeit, einen kleinen Einblick vom Norden, Süden und dem Mittelland Madagaskars zu erhalten. Wüsste ich nicht besser, könnte ich meinen, viele verschiedene Länder bereist zu haben.

Im Norden in Nosy-Be, einer Insel, leben die Einwohner vorwiegend in Holzhütten, welche auf Pfosten gebaut wurden. Sehr einfach, dafür sind sie umgeben von der Natur. In der Hauptstadt Antananarivo gibt es allerhand zu sehen. Von Betonhäuser, ruinenartigen Gebäuden bis zu selbstkonstruierten Schlafplätzen aus Karton.

Auf dem Weg in den Süden findet man auch sehr kreative Bauten. Von Lehmhäuser, Strohüberdeckte Holzhütten bis zu einfachen Biwakzelten basierend aus Naturmaterialien. Was nach meinen Beobachtungen durchgehend konstant ist, sind die Wohnverhältnisse. Die meisten Madagassen leben mit ihrer Familie, oft generationenübergreifend, auf engem Raum. So befinden sich das Wohnzimmer und das Schlafzimmer im gleichen Raum. Geschlafen wird zu dritt, zu viert wenn nicht noch mehr auf einem Bett. Die Möbel sind alt. Gekocht wird draussen. Entweder mit Holzstücken oder mit Kohlen.

Ich erlebe die Madagassen als sehr aufgestellt. Freundlich, interessiert, höflich und äusserst kommunikativ. Im Vergleich zu den anderen afrikanischen Ländern ist Madagaskar noch nicht gross von der Kriminalität betroffen. Aber man muss erwähnen, dass sowohl die Kriminalität wie auch die Korruption in den letzten Jahren stark zugenommen haben. Jedenfalls hat man mir das so erzählt.

Kannst du eines deiner besten Erlebnisse beschreiben?
Zu meinen besten Erlebnisse, welche mir gerade spontan in den Sinn kommen, gehören ganz einfache Tätigkeiten wie Erdnüsse ernten auf dem Feld oder in der Küche mithelfen. Bei solchen Arbeiten fühle ich mich richtig in der Kultur integriert. Auch das Waschen der Kleider am Fluss finde ich super. Zudem wurde ich an einem Familienfest eingeladen. Mit Musik und Tanz waren alle zufrieden und glücklich:).

Und zum Schluss:
Madagaskar ist ein sehr eindrückliches Land mit atemberaubender Natur. Ich konnte noch lange nicht alles sehen. Die Madagassen sind sehr offen und schätzen es, wenn ich einige Wörter madagassisch spreche und mit ihrer Kultur mitlebe. Ich freue mich, wenn ich den Einheimischen bei gewissen Vorurteilen das Gegenteil beweisen kann. So musste ich ihnen erklären, dass auch wir selber zu Hause kochen, dass wir nicht immer nur mit dem Auto unterwegs sind, sondern durchaus auch Sport ausüben und dass auch wir vom Morgen bis am Abend arbeiten können / müssen.

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