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Schlimmste Dürre seit 40 Jahren

Im Südwesten Madagaskars führt die schlimmste Dürre seit 40 Jahren zu einer katastrophalen Situation. Das Welternährungsprogramm WFP stufte die Region als «Hunger-Hotspot» ein und rief die höchste Alarmstufe aus. Über 1.1 Millionen Menschen sind mit einer akuten Nahrungsmittelknappheit konfrontiert und 500‘000 vom Hungertod bedroht. Und wie immer trifft es die Kinder dabei auf verschiedene Arten am meisten. Jedes vierte im Süden leide an akuter Unterernährung und drei Viertel davon seien Kinder unter fünf Jahren, zitiert P. Séraphin, Verantwortlicher von miray malgache in der Diözese Morombé, einen Bericht von Médecins Sans Frontiers.

Verzweiflung lässt Menschen Lehm essen

ZDF, 9.10.2021

Die Hintergründe der katastrophalen Lage sind vielfältig. Unbestritten ist, dass der Klimawandel einen wesentlichen Beitrag leistet. Der Direktor des Welternährungsprogramms der UNO, David Beasley, meinte treffend: «Dies ist eine Region der Welt, die nichts zum Klimawandel beigetragen hat, aber jetzt sind sie diejenigen, die den höchsten Preis zahlen.»

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Ebenfalls zur aktuellen Notsituation trägt nach übereinstimmenden Berichten die Tatenlosigkeit der Regierung oder deren fehlgeleitete Politik bei. Pater Séraphin: «Der Südwesten Madagaskars ist eine vergessene Region, in der es an allem mangelt. Der Staat ist nicht in der Lage, Krisen zu reduzieren und seine Bevölkerung zu schützen.»

Wir haben P. Séraphin und P. Richard, Leiter von miray malgache, gebeten, uns die Situation im Südwesten Madagaskars zu beschreiben und gleichzeitig auch mögliche Lösungsansätze zu formulieren:

P. Richard wie auch P. Séraphin beschreiben, wie schwierig das Leben für die Menschen in der Region aktuell ist. Flüsse trocknen aus, es wächst kaum mehr etwas. Der Wassermangel führe zu einem «Kampf ums Überleben», meint P. Richard. Das betrifft sowohl die Bauern im Landesinneren wie auch die Fischer an der Küste. Diese leiden unter den zunehmend starken Südwinden und ihnen fehlen notwendige Gerätschaften, schreibt P. Séraphin. Im Landesinneren sind Flüsse ausgetrocknet und Staub- und Sandstürme bedecken Äcker. Banditen rauben Vorräte und Vieh.  

Da die meisten Bauern nur für ihr eigenes Auskommen produzieren, also Subsistenzwirtschaft betreiben, spüren sie Ernteausfälle sofort. Es fehlt an Vorräten, die Kaufkraft sinkt und die Krankheitsanfälligkeit steigt. Es gibt Berichte von Familien, die ihr Kochgeschirr verkaufen mussten, um Nahrungsmittel kaufen zu können.

Beitrag von SRF vom 3. Juli 2021. Klicken, um zu öffnen.

Soforthilfe

miray malgache setzt auf verschiedenen Ebenen an, um die Not zu lindern, langfristig wie auch kurzfristig. Als Soforthilfe arbeitet man mit anderen Nichtregierungsorganisationen bei der Verteilung von Hilfsgütern zusammen. Da die Verantwortlichen von miray malgache die Familien und die Situation in Tuléar wie auch in anderen Regionen gut kennen, konnte so bereits zielgerichtet Hilfe geleistet werden.

Schulbesuch ermöglichen

Kinder, die in die Schule gehen können, erhalten nicht nur eine Mahlzeit, sondern sie investieren auch in die Zukunft. In der aktuellen Situation wird es aber für viele Familien noch schwieriger als sonst, die Schulgebühren zu bezahlen. Es geht für viele ums nackte Überleben. Dank Spendengeldern können die Schulgebühren z.B. im Sozialzentrum in Tuléar noch mehr gesenkt und kann die Verpflegung in den Kantinen in der Diözese Morombé sichergestellt werden. Die Kinder dort erhalten als eine Art überlebenswichtige Snacks zusätzlich auch Tüten mit Milchpulver, schreibt P. Séraphin.

Berufliche Unterstützung

Aufgrund der Dürre und der schlechten Lebensbedingungen auf dem Land ziehen viele Familien in die Städte, finden dort aber kein Auskommen. Hier setzt aktuell ein Projekt im Sozialzentrum Berthier in Tuléar an. Frauen weben Taschen und Matten aus Folienkunststoff, verkaufen die Produkte und können so ihre Familien unterstützen. Längerfristig setzt man im Sozialzentrum auch auf die Berufsbildung. Es werden verschiedene Ausbildungen wie z.B. zum KFZ-Mechaniker oder Schreiner angeboten, was das wirtschaftliche Auskommen sichern kann. In die gleiche Richtung geht ein Projekt im Küstendorf Andavadoaka, das von miray unterstützt wird. Fischer, die wie weiter oben beschrieben ebenfalls unter den Folgen des Klimawandels leiden, werden mit Gerätschaften unterstützt. Gleichzeitig wird aber auch der Gemüseanbau im Dorf gefördert, sowohl für den Eigenbedarf wie auch für den Verkauf. 

Frauen flechten im Sozialzentrum in Tuléar Taschen und Matten aus Kunststoff.
Ausbildung zum Schreiner im Sozialzentrum in Tuléar.

Wasserversorgung, Wiederaufforstung und Mentalitätswandel

In einer Dürre ist natürlich die Versorgung mit Trinkwasser elementar. Der Bau von Brunnen (vgl. das letzte miray-Info) kann die Not  lindern. Längerfristig gilt es, so P. Richard, auch darum, neue Wasserquellen zu finden. Und noch wichtiger ist ein Mentalitätswandel. Denn übereinstimmend berichten P. Séraphin und P. Richard von  der Abholzung als grundsätzlichem Übel. Bäume werden nicht nur für Feuerholz geschlagen, sondern es gibt auch illegalen Holzschlag. Und mangels Alternativen auch für ein wirtschaftliches Auskommen ist die Kohleherstellung weit verbreitet. Zusätzlich ist der Wald auch noch unter Druck durch die verbreiteten Brandrodungen. Die Wiederaufforstung könnte mithelfen, dem Problem auch der Dürre zumindest teilweise zu begegnen. Elementar sei dabei, wie der Boden vorbereitet werde für die jungen Setzling, schreibt P. Richard. Hierfür wie auch für die Ausrottung der Praxis der Brandrodung brauche es aber die Aufklärung der Bevölkerung. 

Eine der Brunnen, die ab 2020 im Rahmen entsprechender Projekte neu erstellt wurden. Zu sehen ist rechts P. Séraphin, Verantwortlicher von miray malgache in der Diözese Morombé.

Schutz der Umwelt ist Armutsbekämpfung

Verschiedene Projekte setzen also in Madagaskar aktuell an, um der Dürre und ihren Folgen zu begegnen. Aktuell ist Nothilfe gefragt, aber längerfristig braucht es auf verschiedenen Ebenen langfristige, nachhaltige Ansätze. Und etwas zeigt sich in der aktuellen Situation im Südwesten Madagaskars in aller Deutlichkeit, wie P. Richard am Schluss seines Berichts schreibt: «Armutsbekämpfung ist ein Aufruf zum Schutz der menschlichen Umwelt». Am effektivsten bekämpft man also die Armut, indem man die Umwelt schützt. Und das kann man nicht nur mittels Investitionen z.B. in die Aufklärung der Bevölkerung tun, sondern ganz direkt, indem wir in der reichen Schweiz mit unserem Verhalten einen persönlichen Beitrag leisten. 

Vanille: Das süsse Gift Madagaskars

In einem ausgezeichneten Artikel werden in der NZZ verschiedene Probleme Madagaskars rund um die Vanille dargelegt, so unter anderem auch die Korruption und die damit verbundene Absenz einer verlässlichen Staatsgewalt. Der Artikel schliesst mit einem ernüchternden Fazit: „Madagaskar ist das einzige Land der Welt, das trotz Frieden und enormem natürlichem Reichtum stets ärmer wird. Es scheint, als ob sich hier jeder Segen in einen Fluch verwandelt.“
Hier geht es zum Artikel.

In diesem Zusammenhang auch lesenswert ist ein Artikel ebenfalls aus der NZZ zum Wahlkampf Ende 2018: „Obwohl der Inselstaat im Indischen Ozean zu den ärmsten Ländern gehört, ist der Wahlkampf einer der teuersten weltweit.“