Die Politik Madagaskars der letzten Jahre ist geprägt von Krisen, Demonstrationen, blutigen Unruhen und Machtkämpfen. 2002 war Marc Ravolamana, damaliger Bürgermeister der Hauptstadt Antananrivo, nach monatelangen friedlichen Demonstrationen zum Präsidenten gewählt worden. Sein Vorgänger, Didier Ratsiraka, hatte den Inselstaat seit einem Militärputsch 1972 fast ununterbrochen regiert, musste nach erfolgloser Rebellion gegen das Wahlresultat aber das Land verlassen.
Ravolamana, der aus einfachen Verhältnissen stammt und als Strassenverkäufer von Joghurt sein erstes Geld verdient hat, stieg relativ spät in die Politik ein. Er nutzte sein Amt als Staatspräsident, um ein bedeutendes Firmenimperium aufzubauen, wozu auch der landesweit grösste Milchverarbeiter „Tiko“ gehörte. Ravolamana verfolgte unter Aufsicht der Weltbank und des IWF eine liberale Wirtschaftspolitik, was die wirtschaftliche Situation in gewissen Bereichen rasch verbesserte. Andererseits war eine hohe Inflationsrate, welche die Preise auch von Grundnahrungsmitteln wie Reis in die Höhe trieb. Von der Opposition wurde dem Präsidenten nach seiner Wiederwahl von 2006 mit 55% der Stimmen denn auch zunehmend vorgeworfen, seine Stellung auszunutzen und zu wenig gegen die grassierende Armut im Lande zu tun.
Anführer der Opposition war der ehemalige Diskjockey Andry Rajoelina, der zum Bürgermeister der Hauptstadt gewählt, 2009 aber nach einem blutigen Machtkampf wieder abgesetzt worden war. Der Konflikt zwischen Rajoelina und Ravolamana spitzte sich anfangs 2009 zu und es kam zu Streiks und Plünderungen. In den wochenlangen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern beider Parteien starben 135 Personen. Schliesslich flüchtete Ravolamana auf Druck der Armeeführung, die sich ansonsten relativ neutral verhalten hatte, und der 33jährige Rajoelina liess sich als Präsident vereidigen. Im Anschluss kam es zu wochenlangen Demonstrationen gegen Rajoelina und für den abgesetzten Ravolamana.
Anfangs August 2009 einigten sich die Kontrahenten zusammen mit den Ex-Präsidenten Ratsiraka und Zafy auf einen Fahrplan, der die verworrene politische Situation entspannen sollte. Vorgesehen waren die Bildung einer Übergangsregierung und Neuwahlen 2010. Rajoelina hielt sich allerdings nicht daran und ernannte ohne Konsultation der Opposition einen Premierminister. Wahlen wurden nicht durchgeführt, stattdessen folgten Bestimmungen, die eine Rückkehr Ravolamanas nach Madagaskar verhindern sollte.
Sowohl der für Madagaskar wichtige Tourismus wie auch die Investitionsbereitschaft ausländischer Unternehmer litten stark unter der verworrenen Situation. Internationale Sanktionen trafen nicht zuletzt die Bevölkerung stark. 2010 lebten bereits 77% der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Im August 2011 warnte das Kinderhilfswerk UNICEF, jedes zweite Kind sei bereits unterernährt. 2012 bezifferte die Weltbank den Ausfall an Hilfsgeldern auf 390 Mio. Franken.
Unter Vermittlung der Staatengruppe SADC (Southern African Development Comunity) und der EU wurde versucht, Neuwahlen durchzuführen. Dabei sollten sowohl Rajoelina wie auch Ravolamana und Ratsiraka nicht kandidieren dürfen. Rajoelina unterlief die Bemühungen immer wieder trickreich; so setzte er 2013 kurzerhand seine Frau auf die Kandidatenliste, was aber von den Vermittlern nicht akzeptiert wurde. Am 20. Dezember 2013 war es dann doch soweit: Mit Robinson Jean Louis und Hery Rajaonarimampianina traten zwei Kandidaten an, ersterer Repräsentant von Ravolamana, letzter von Rajoelina und Rajaonarimampianina war es auch, der die Wahlen gewann und anfangs 2014 vereidigt wurde.
Im Frühjahr 2018 spitzte sich die Situation wieder zu , nachdem ein neues Wahlgesetz verabschiedet worden war, das nach Ansicht der Opposition ihre Kandidaten von der Wahl ausschliessen soll. Es kam zu Demonstrationen, bei denen zwei Personen starben; der Regierungschef trat anfang Juni zurück. Für den November sind Neuwahlen angesetzt.
Bibliographie
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- https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/madagaskar/reisehinweise-fuermadagaskar.html
- Därr, Wolfgang, Heimer Klaus: Handbuch für individuelles Entdecken. Reihe: Reise Know-How. 2009, S. 158-166.